«Arcadia» – 2. ReRenaissance-Festival - Andere - Seite 65
«Orpheus in Mantua»
Hintergrund
Von Poliziano zu Monteverdi
Prof. Dr. Silke Leopold
Emeritierte Professorin
Universität Heidelberg, DE
W
irkmächtig wie wohl kein anderes Theaterstück seit der
Antike, und gleichzeitig eines der grössten Rätsel der
neuzeitlichen Theatergeschichte: Um Angelo Polizianos Fabula di Orfeo ranken sich viele Geheimnisse. Wir kennen weder die Entstehungszeit noch das Aufführungsdatum oder gar
den Anlass der Aufführung. Irgendwann um 1480 in Mantua
im Auftrag eines Gonzaga-Kardinals geschrieben, markiert
die Fabula di Orfeo so etwas wie den Urknall des europäischen Musiktheaters. Es ist nicht nur das erste weltliche Drama, nachdem jahrhundertelang biblische und christlich-allegorische Stoffe das Theater beherrscht hatten, sondern auch
das erste, in dem explizit von Musik die Rede ist und Hinweise auf musikalische Darstellungen gegeben werden. Poliziano war der erste, der die Bühnentauglichkeit jenes göttlichen
Sängers Orpheus erkannte, der mit seiner Musik die wilden
Tiere gezähmt und die Götter der Unterwelt besänftigt hatte.
Kein Geringerer als der für seine Improvisationen berühmte
Dichtersänger Baccio Ugolino, der sich selbst auf der Lira da
braccio begleitete, hob die Rolle des Orpheus aus der Taufe.
Zwar hat sich keine Musik zu Polizianos Orpheus-Drama erhalten; wir wissen nicht einmal genau, wann in diesem Stück
gesungen und wann deklamiert wurde. Aber es ist eindeutig,
dass sich Claudio Monteverdi und sein Librettist Alessandro
Striggio mit Poliziano beschäftigten, als sie 1607 darangingen,
mit L’Orfeo die kurz zuvor entstandene Oper noch einmal neu
zu erfinden, und ihr damit den Weg in eine produktive Zukunft wiesen.
Samstag, 27.09.2025 | 18:45 Uhr | Hintergrund «Fabula di Orfeo»
Martinskirche
Eintritt frei – Kollekte
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